Einführung in die Mehrphasen-Kontinuumstheorie (MCT)

Im Anschluss finden Sie eine kurze Übersicht über die Mehrphasen-Kontinuumstheorie.

Die Grundprämisse hinter der Kontinuumsmechanik ist die Tatsache, dass eine beliebige physikalische Größe von Interesse an einem Materialpunkt ausgewertet werden kann, indem die Größe über ein repräsentatives Volumenelement, das den Interessenfokus umgibt, gemittelt wird. Dieses repräsentative Volumenelement (oder RVE) muss im Vergleich zu den gesamten Abmessungen des Materialkörpers sehr klein, aber dennoch groß genug sein, um eine genaue statistische Darstellung der Größe innerhalb der Materialmikrostruktur des Körpers sicherzustellen. Bei typischen unidirektionalen, faserverstärkten Verbundwerkstoffen neigen die Fasern zu einigermaßen zufälligen Abständen innerhalb des Matrixmaterials. Daher muss das zum Kennzeichnen eines Materialpunkts verwendete RVE groß genug sein, damit mehrere Fasern enthalten sein können, um eine genaue statistische Darstellung der über das RVE gemittelten Größe sicherzustellen. Aus Gründen der Berechnungszweckmäßigkeit ist es jedoch üblich, von einer gleichmäßigen Faserverteilung auszugehen, die die tatsächliche zufällige Faserverteilung statistisch sinnvoll darstellt. Durch diese Annahme der einheitlichen Faserabstände kann das RVE wirtschaftlich von einer einzigen Einheitszelle mit periodischen Randbedingungen dargestellt werden.

Das Konzept eines Mehrphasen-Kontinuums erweitert nur die Vorstellung von einem Kontinuum, um eindeutig unterschiedliche Materialien widerzuspiegeln, die innerhalb des RVE koexistieren, welches zur Charakterisierung eines Materialpunkts verwendet wird. Eine solche Erweiterung ist überall da natürlich, wo mindestens zwei klar identifizierbare Konstituenten mit erheblich unterschiedlichen Materialeigenschaften vorhanden sind. Daher kann ein unidirektionales faserverstärktes Verbundmaterial als zwei interagierende Kontinua (ein Faserkontinuum und ein Matrixkontinuum) angesehen werden, die innerhalb eines entsprechend gewählten repräsentativen Volumenelements des Verbundmaterials koexistieren. In einer solchen Mehrphasen-Kontinuumsdarstellung eines unidirektionalen faserverstärkten Verbundmaterials gibt es drei verschiedene Volumendurchschnittswerte, die für die Mechanik des Verbundmaterials relevant sind. Diese drei Volumendurchschnittswerte werden im Folgenden beschrieben.

a) Physikalische Größen von Interesse werden über das gesamte RVE, das das Verbundmaterial darstellt, hinweg gemittelt. Diese Größen werden traditionell als 'homogenisierte' Verbundgrößen bezeichnet und stellen die Gesamtdurchschnittswerte der physikalischen Größen dar, da sie über die Faser- und Matrixkonstituenten der Mikrostruktur innerhalb des RVE hinweg variieren. Für die Darstellung dieser Verbundmittelungsgrößen verwendete Variablen werden mit einem hochgestellten 'c' gekennzeichnet. In diesem Dokument werden diese Größen als Verbunddurchschnittsgrößen bezeichnet.

b) Physikalische Größen von Interesse werden spezifisch über das Faserkontinuum innerhalb des RVE des Verbundmaterials hinweg gemittelt. Diese Größen werden als Faserdurchschnittsgrößen bezeichnet. Für die Darstellung dieser Faserdurchschnittsgrößen verwendete Variablen werden mit einem hochgestellten 'f' gekennzeichnet.

c) Physikalische Größen von Interesse werden spezifisch über das Matrixkontinuum innerhalb des RVE des Verbundmaterials hinweg gemittelt. Diese Größen werden als Matrixdurchschnittsgrößen bezeichnet. Für die Darstellung dieser Matrixdurchschnittsgrößen verwendete Variablen werden mit einem hochgestellten 'm' gekennzeichnet.

Bei gewebten Verbundmaterialien sind die Faser- und Matrixvolumendurchschnittsgrößen nach wie vor die grundlegenden Größen von Interesse, jedoch gibt es eine zusätzliche Komplikation, da das gewebte RVE neben einer Mikrostruktur (Faser und Matrix) eine Mesostruktur (d. h. Kettgarne, Schussgarne und reine Matrixtaschen) enthält. In diesem Fall muss zwischen Matrixdurchschnittsgrößen unterschieden werden, die in den Kettgarnen, Schussgarnen und reinen Matrixtaschen auftreten. Darüber hinaus muss zwischen Faserdurchschnittsgrößen unterschieden werden, die in den Kett- und Schussgarnen auftreten. Dies macht es notwendig, dass bestimmte, für die Mesostruktur des gewebten Verbundwerkstoffs relevante Zwischenkonstituenten identifiziert werden, wie zum Beispiel die Kettgarnkonstituente, die Schussgarnkonstituente und die reine Matrixtaschenkonstituente. Außerdem müssen Volumendurchschnittsgrößen für diese Mesoskalenkonstituenten berechnet werden.

In der traditionellen Kontinuumsmechanik (wie sie auf faserverstärkte Verbundstrukturen angewandt wird) liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung von Beziehungen zwischen verschiedenen Verbunddurchschnittsgrößen (z. B. Spannung, Dehnung). Die Mehrphasen-Kontinuumstheorie (oder MCT) verbessert die traditionelle Kontinuumsmechanik, indem der Fokus auf zwei zusätzliche Probleme erweitert wird: 1) die Entwicklung von Beziehungen zwischen verschiedenen Konstituentendurchschnittsgrößen von Interesse und 2) die Entwicklung von Beziehungen, die Verbunddurchschnittsgrößen mit Konstituentendurchschnittsgrößen [1-12] verknüpfen.